Die Notwendigkeit souveräner Digitalisierungsstrategien

Die aktuelle dynamische geopolitische Lage, insbesondere in den USA, erfordert eine zukunftsweisende und souveräne europäische Digitalisierungs-Strategie und die dafür erforderliche Infrastruktur – insbesondere für sensible Bereiche wie das Gesundheitswesen.

Datenräume und darauf basierende Nutzungskonzepte zum Wohle aller Bürger bieten die Chance, ein gesamteuropäisches Gegengewicht zu den dominierenden amerikanischen und chinesischen Akteuren/Plattformen ("Big 7") zu etablieren.

Dabei ist entscheidend, dass diese Datenräume europäisch konzipiert, föderiert organisiert und nutzerfreundlich sowie transparent für die Bürger gestaltet werden. So entsteht ein leistungsfähiger Markt für datenbasierte Gesundheitsdienste – unter Wahrung europäischer Werte und Souveränität.

Deutschland hat jetzt die Möglichkeit, durch den gezielten Ausbau von Gesundheitsdatenräumen eine Vorreiterrolle in Europa zu erlangen. Dies dient nicht nur der nationalen Wettbewerbsfähigkeit, sondern auch der strategischen Positionierung Europas in der digitalen Zukunft.

Anknüpfung an Koalitionsziele

Wir begrüßen, dass in den Ergebnissen der Sondierungen von CDU, CSU und SPD zentrale Themen wie „Innovation und Forschung Vorrang geben“, „Digitalisierung voranbringen“ und „Pflege und Gesundheit in den Fokus nehmen“ hervorgehoben werden.

Diese politischen Leitlinien ebnen den Weg für einen transparenten, bürgernahen und europäisch-föderierten Gesundheitsdatenraum, der die Chancen der Digitalisierung umsetzt und die rechtssichere Verwendung von Künstlicher Intelligenz in allen Bereichen des Gesundheitswesens nutzbar macht.

Das Bürgerkonto als gemeinsamer Vertrauensanker kann die Grundlage für eine transparente, vertrauenswürdige und leicht zugängliche digitale Gesundheitsdateninfrastruktur bilden.

Mit dem EHDS sowie den Erkenntnissen aus Gaia-X sind sowohl die regulatorischen Rahmenbedingungen als auch tragfähige Konzepte vorhanden, um diese Ziele jetzt gezielt anzugehen.

 

Empfehlungen an die neue Bundesregierung

Offene Plattformen sind die Grundlage für starke Entwicklungsmöglichkeiten des europäischen Digitalmarktes und erschließen so die Chancen von KI und Digitalisierung. Die gezielte Förderung innovativer Unternehmen und zukunftsweisender Konzepte, die auf föderierten Datenräumen aufsetzen, ebnet den Weg zu effizienter, transparenter, und bürgerfreundlicher Digitalisierung des Gesundheitswesens. Offene Plattformen ermöglichen die Wiederverwendung von Diensten und tragen so zur Effizienz bei. Transparenz in der Governance und den Prozessen ist die Grundvoraussetzung für Vertrauen und Akzeptanz. Das einheitliche Bürgerkonto ist die Grundlage für die persönliche Einwilligung und Verwaltung der Nutzung der eigenen Gesundheitsdaten.

Die mit umfangreichen Fördermitteln des Bundes entwickelten Konzepte aus Gaia-X, der International Data Spaces Association sowie der Medizininformatik-Initiative stellen erprobte Leitprinzipien für die Entwicklung von Datenräumen zur Verfügung, die insbesondere im Kontext der EHDS-Regulierung die grenzüberschreitende Nutzung von Gesundheitsdaten ermöglicht.

Auf dieser Basis können die in Krankenhauszukunftsgesetz (KHZG) und Krankenhausversorgungsverbesserungsgesetz (KHVVG) begonnene Verbesserung der Primärversorgung, und weitere wertschöpfende Nutzungs- und Innovationspotentiale in Forschung und Industrie fortgeschrieben werden. Bestehende nationale Gesundheitsdatensysteme wie die Telematik-Infrastruktur werden über Föderationsmechanismen eingebunden und ergänzt. Insgesamt ergibt sich so eine effektive Förderung der deutschen Gesundheitswirtschaft und -forschung in Pharmaindustrie, MedTech, Startups, Pflege und Versorgung.
Das Ziel muss sein, ein umfassendes Gesundheitsdatenökosystem zu schaffen, das Gesundheitsdatenräume mit Mehrwert für alle Beteiligten – Bürger, Gesundheitsdienstleister, Industrie und Forschung – bereitstellt. Dies erfordert einen echten Schulterschluss aller relevanten Akteure, um eine gemeinsame Vision zu realisieren, die im Sinne aller Bürger wirkt.

Ein Doppelhelixdiagramm, dass einen umlaufenden Prozess zeigt. Dieser umfasst:  - Lobby (Angleichen von Zielen und Vision, Governance, Prinzipien) - Entwickeln (OSS-Komponenten entwickeln, Bausteine integrieren) - Betreiben (Sicherer und vertrauenswürdige

Dadurch ergibt sich ein organisch umlaufender Prozess aus dem Angleichen von Zielen und Vision, der Entwicklung der Open Source Software (OSS) Komponenten, dem Betrieb und der Nutzung des Datenraumes für privatwirtschaftliche und gesellschaftliche Zwecke.

Konkrete Umsetzungsvorschläge

Das von der Bundesregierung (BMWK) unter Herrn Minister Altmaier initiierte Programm „Innovative und praxisnahe Anwendungen und Datenräume im Digitalen Ökosystem Gaia X“ (2021–2025) hat mit einem Gesamtvolumen von 132 Millionen Euro – davon 25 Millionen Euro für die Gesundheitsprojekte HEALTH-X und TEAM-X – bereits eine solide Basis geschaffen.

Um den digitalen Gesundheitsmarkt weiter zu stärken, schlagen wir ein dreistufiges Förderkonzept in Höhe von 200–300 Millionen Euro vor, das die Grundlagen für ein Gesundheitsdatenökosystem in Versorgung, Pflege, Medtech und Pharmaindustrie mit einem geschätzten, jährlichen Umsatz von 30 Milliarden EUR legen wird:

  • Stufe 1 (2025-2026) Aufbau der digitalen Gesundheitsdatenräume
    • Aufbau auf bestehenden Datenraum-Aktivitäten wie z.B. Gaia-X und IDSA
    • Spezifikation zentraler Datenraumdienste im Gesundheitswesen mit Fokus auf den deutschen Markt und europäische Anwendungsszenarien.
    • Entwicklung gemeinwohlorientierter, Open-Source-basierter und EHDS-konformer Infrastrukturen.
  • Stufe 2 (2026-2028) Erweiterung der Datenräume
    • Öffnung der Infrastruktur für internationale gemeinwohlorientierte und kommerzielle Anwendungsszenarien
  • Stufe 3 (ab 2028) Skalierung auf weitere Branchen
    • Ausweitung der Infrastruktur auf branchenübergreifende Anwendungsbereiche in Europa
    • Berücksichtigung der bis dahin entstandenen EU-Verordnungen

Zur Gewährleistung maximaler Interoperabilität soll die Umsetzung des Konzepts von einem nationalen Konvergenz-Board begleitet werden. Dieses Gremium stellt eine kontinuierliche Abstimmung zwischen den maßgeblichen Vorhaben und Initiativen sicher. Gleichzeitig soll eine fortlaufende Evaluation durchgeführt werden, um die Auswirkungen der Förderung auf das Gesundheitsdatenökosystem systematisch zu analysieren und zu bewerten.

Dieses Förderkonzept schafft eine zukunftsfähige Grundlage für den digitalen Gesundheitsmarkt in Deutschland. Durch den gezielten Ausbau einer nachhaltigen und skalierbaren Infrastruktur trägt es dazu bei, den technologischen Fortschritt zu sichern und den wirtschaftlichen sowie gesellschaftlichen Mehrwert für Europa langfristig zu steigern.

Die Autoren

EHDA e.V. für den Vorstand Prof. Roland Eils, Prof. Bjoern Eskofier. Der Euro-pean Health Data Alliance e.V. (EHDA e.V.) ist ein gemeinwohlorientierter Verein, der gegründet wurde, um die Entwicklung bürgerzentrierter Gesundheitsdatenräume in Europa zu fördern.

inav GmbH Prof. Volker Amelung. Das inav – privates Institut für ange-wandte Versorgungsforschung gehört zu den führenden Forschungs- und Beratungsinstituten im Gesundheitswesen. Die Schwerpunkte liegen in den Bereichen Versorgungsforschung, innovative Versorgungskonzepte, Digital Health, Outcomes Research, Pharmacoeconomics und Marktzugang.

HiGHmed e.V. Stefan Becker. HiGHmed bündelt Kompetenzen von 14 führenden Universitätskliniken und medizinischen Forschungsinstitutionen die organisations- und institutionsübergreifend zusammenarbeiten, um mit innovativen IT-Lösungen Gesund-heitsdaten standortübergreifend zu integrieren.

IDSA e.V. Andre Nemat. Die International Data Spaces Association (IDSA) ist eine gemeinnützige Organisation, die sich auf die Festlegung und Förderung von Standards für vertrauenswürdige Datenräume konzentriert.

Unser Engagement im EHDA e.V. ermöglicht es uns, aktiv an der Gestaltung eines vertrauenswürdigen und gemeinwohlorientierten Gesundheitsdatenraums mitzuwirken. Gemeinsam stellen wir sicher, dass Gesundheitsdaten im Sinne der Bürgerinnen und Bürger verantwortungsvoll genutzt werden. Dies ist ein wichtiger Schritt, um innovative Lösungen auf eine sichere und transparente Datenbasis zu stellen und die Digitalisierung der Gesundheitsversorgung nachhaltig voranzutreiben.

Dr. Lisa Walter
Public Affairs and Stakeholder Relations Lead
EIT Health Germany-Switzerland

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